Für "Glaube, Sitte und Heimat"
steht seit 1625 auf unserer Fahne
In nun fast vier Jahrhunderten haben die Mitglieder der Schützenbruderschaft die damit verbundenen Gedanken und Werte im Verein und im Dorfgeschehen aktiv vertreten und lebendig immer wieder nachfolgenden Generationen vermittelt. Dabei haben sie erhaltenswertes Brauchtum und die Pflege von Traditionen aufrechterhalten.
Mit dem Tag zu Christi Himmelfahrt beginnt unsere alljährliche Frühkirmes. Mit der Teilnahme an kirchlichen Festen wie Fronleichnam, dem höchsten kirchlichen Fest unserer Schützenbruderschaft, sowie der Marienprozession im August nach Overhetfeld, zeigen wir öffentlich unseren christlichen Ursprung und die damit verbundene Zugehörigkeit zum Christentum. Auch der jährliche Vogelschuss zur Ermittlung des Schützenkönigs am dritten Sonntag im September ist ein Beweis unserer Brauchtumspflege.
"Glaube, Sitte und Heimat" standen früher und müssen heute erst recht über all unserem Handeln stehen. Verantwortung übernehmen und Verantwortung tragen - im kirchlichen und im öffentlichen Bereich - müssen Aufgabe und Ziel eines jeden Schützenbruders sein, damit diese Werte auch in Zukunft Bestand haben.
Schützenbruderschaften im Wandel der Zeiten
von Werner Hommen
Ich möchte Sie mit auf eine kurze Zeitreise nehmen...
Die Reise beginnt am Kirchturm der Elmpter Pfarrkirche. Der Turm wurde zwischen 1611 und 1615 errichtet und war Teil einer Erweiterung der Elmpter Dorfkirche. Die Erweiterung war vermutlich notwendig, da im 16. Jahrhundert die Bevölkerung im Rheinland gewachsen war.
Das wird auch in Elmpt so gewesen sein.
Im Jahr 1625, also nur zehn Jahre nach Fertigstellung des „neuen“ Kirchturms, wurde in Elmpt die Schützenbruderschaft gegründet. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass hierbei die gleichen Männer beteiligt waren, die auch schon den Kirchturm bauten.
1625 hatte sich das Leben am Niederrhein katastrophal verschlechtert. In ganz Mitteleuropa tobte seit 1618 der Dreißigjährige Krieg, am Niederrhein kämpften die katholischen Spanier und die protestantischen niederländischen Generalstaaten einen erbitterten Erbfolgekrieg. Hunger und Elend bestimmten den Alltag. Die Städte und Dörfer litten unendlich unter umherziehenden Söldnerhaufen und Räuberbanden. Mord, Plünderung, Vergewaltigung und Brandschatzung waren überall traurige Realität.
In dieser Situation schlossen sich die Elmpter Bürger zusammen und bildeten eine Bürgerwehr, um sich zu verteidigen. Das wird keine einheitlich uniformierte und ausgerüstete Truppe gewesen sein, sondern vielmehr ein Zusammenschluss wehrhafter Bauern, die mit Bauernwaffen kämpften – Jagdbögen, Sensen, Mistgabeln und Dreschflegeln – und zusammenliefen, wenn die „Sturmglocke“ am Kirchturm Alarm gab.
Bereits von Anfang an entwickelte sich nahezu zwangsläufig bei den Bürgerwehren eine starke Bindung zur Kirche. Die Kirche hatte zu diesen Zeiten eine überragende Rolle in Staat und Gesellschaft. Der Pfarrer war oftmals der Einzige im Ort, der Lesen und Schreiben konnte und er war zumeist nicht nur der Vertreter der geistlichen, sondern auch der weltlichen Macht. Die Konfessionalität war von überragender Bedeutung, führte man doch Krieg gegen die evangelischen „Ketzer“. So etablierten sich die aus der Not heraus gebildeten Bürgerwehren als „Katholische Schützenbruderschaften“, wobei das Wort „Schütze“ im Gegensatz zur militärischen Bedeutung wohl weniger vom „Schuss“ als vom „Schutz“ hergeleitet ist.
Im weiteren Verlauf der Jahrzehnte übernahmen die Bruderschaften neue, zusätzliche Aufgaben. Das wird auch bei den Elmptern so gewesen sein. Die Schützen kümmerten sich um die öffentlichen und kirchlichen Veranstaltungen und Feste – zumeist nicht als Ausrichter, sondern, wie es ihrer Aufgabe im Dorfleben entsprach, als schützende und ordnende Organisation. Viele Schützenbruderschaften übernahmen zudem karitative Aufgaben in der Dorfgemeinschaft und halfen bei Epedemien, die Kranken zu versorgen und die Leichen zu verbrennen. Aus dieser Kombination - wehrhafter Schutz, verbunden mit Nächstenliebe und Gebet – entwickelte sich das Motto „Für Glaube, Sitte und Heimat“. (Wobei „Sitte“, was man heute leider immer wieder betonen muss, nicht in erster Linie sexuelle Bedeutung hatte. „Sitte“ bedeutet vielmehr einen christlichen, also an den zehn Geboten und dem Gebot der
Nächstenliebe ausgerichteten Lebenswandel.)
Seit dieser Zeit ruht die Existenz der Schützenbruderschaften auf zwei Säulen, der gemeinsamen Aufgabe und den gemeinsamen Werten.
Die Schutzaufgabe der Schützenbruderschaften verschwand spätestens zur Zeit der Französischen Revolution, als eine geordnete moderne Staatsmacht am Niederrhein Einzug hielt. Elmpt war bis 1814 französisch, danach preußisch. Die Zeit der Räuberbanden und lokalen Kleinkriege war vorbei. 1803 wurde der letze Räuberhauptmann (der „Fetzer“) zur Strecke gebracht.
Die Säkularisierung führte bei vielen Bruderschaften zu einer Trennung von den kirchlichen Wurzeln. Sie wurden zu Schützengilden oder Schützenvereinen. Am Niederrhein und in Elmpt stellte sich diese Frage nicht. Die Bevölkerung war fromm und blieb – bis auf einige Zöllner und preußische Beamte – rein katholisch.
Da ihre bisherigen Aufgaben nach fast zweihundertjährigem Bestehen nunmehr fast vollständig auf den Staat übergegangen waren, mussten sich die Schützen neu erfinden, um weiterbestehen zu können. Viele Bruderschaften, Gilden und Vereine schafften den Schritt nicht und lösten sich auf. Die anderen suchten sich neue Betätigungsfelder. Wie viele andere Bruderschaften am Niederrhein gingen wohl auch die Elmpter Schützen zu dieser Zeit dazu über, Feste mit Schießübungen und Wettbewerben zu veranstalten. Das „Königsschießen“ und das „Schützenfest“ wurden geboren.
Die Schützenbruderschaften wurden Veranstalter und Organisatoren des gesellschaftlichen Dorflebens und der Dorffeste. Insbesondere ab dem Kaisereich (1871) wurden die Schützenfeste mehr und mehr zum Rollenspiel des dörflichen Bürgertums ausgebaut. Mit König, Königin und Ministern imitierte man nun das Leben bei Hofe, während die Schützen mit einer immer stärker militärisch werdenden Organisation, mit Aufmärschen und Paraden dem preußischen Militär nacheiferten.
Spätestens in dieser Zeit bildete sich bei Umzügen und Paraden eine Organisation in „Zügen“, wozu Männerzug, Grenadierzug, Jägerzug und Schlüffkeszug gehörten.
Zum Jägerzug gehörten die Jugendlichen, zum Grenadierzug die „gedienten“ jüngeren Männer, die als Erkennungszeichen eine Schärpe trugen. Verheiratete Männer traten dem Männerzug bei, dessen Uniform der schwarze (Hochzeits-) Anzug nebst Zylinder war. Im Schlüffkeszug sammelten sich alle Bruderschaftmitglieder, die in keine der genannten Kategorien passten.
Wie heute noch beim Männerzug kam man lediglich zu den Festen im Zug zusammen. Es gab weder einen festen Mitgliederbestand noch ein Eigenleben. Eine Ausnahme bildete der Jägerzug, der alleine schon deshalb öfters zusammenkommen musste, weil er auf dem Schulhof von erfahrenen Schützen mit Gleichschritt, Parademarsch und militärischen Kommandos vertraut gemacht wurde.
Über ein weiteres Jahrhundert und zwei Weltkriege hinweg blieb der Charakter der
Schützenbruderschaften nahezu unverändert. In den Nachkriegsjahren begann jedoch - zunächst unmerklich für die Bruderschaften - ein neuer, tiefgreifender Wandel.
Zunächst einmal sah man sich nach dem Zuzug vieler, zumeist protestantischer Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten nunmehr einem neuen evangelischen Bevölkerungsanteil gegenüber. Diese Herausforderung meisterten die Schützen schnell, indem sie sich den Angehörigen anderer christlicher Konfessionen öffneten, ohne ihre katholische Basis zu verlassen.
Als nächstes sahen sich die Schützen in ihrer angestammten Aufgabe, der Organisator und Träger des gesellschaftlichen Dorflebens zu sein, plötzlich vielfältiger Konkurrenz gegenüber. Trotz erheblicher Anstrengungen der Bruderschaften muss man heute wohl feststellen, dass das Festangebot der Schützen auch im Dorf mittlerweile eines von vielen geworden ist. Wie vor zweihundert Jahren stehen die Schützen daher heute wieder vor der Sinnfrage.
Das zunehmende Fehlen einer Aufgabe ging einher mit tiefgreifenden organisatorischen Veränderungen innerhalb der Elmpter Bruderschaft. Im Jahr 1970 löste sich ein Jägerzug nicht –wie bislang üblich– bei Erreichen der Altersgrenze auf und trat in die Männerzüge über. Stattdessen bildete sich ein fester, mit eigenem Vereinsleben versehener ständiger Extrazug, der erste von vielen seiner Art. Durch diese Entwicklung wurde der Charakter der Bruderschaft nachhaltig verändert. Für viele Schützen ist „ihr“ Zug heute gleichzeitig Freundeskreis und gesellschaftliches Netzwerk. Die Bindung an die Bruderschaft ist nur noch mittelbar vorhanden.
Die Bruderschaften verloren vor zweihundert Jahren schon einmal den angestammten Platz im Dorfleben und erfanden sich neu. Dabei half ihnen zweifellos, daß die zweite Säule ihrer Existenz, die gemeinsamen Werte, unangetastet war. Der Wertecanon der Schützen war stets eng mit der katholischen Kirche und mit dem Motto „Glaube, Sitte, Heimat“ verknüpft. Auch diese Bindung hat in den vergangenen Jahrzehnten einen bedeutenden Wandel erfahren.
Nicht nur in Elmpt wird der gemeinsame Kirchgang zum Schützenfest immer dünner, ist die Anbindung der Bruderschaft an die Katholische Kirche immer mehr sinnentleert, wird die Satzung der Bruderschaft (Beispiel: „Das höchste Fest der Bruderschaft ist das Fronleichnamsfest“) kaum noch ernsthaft gelebt. Die Bedeutung von „Glaube, Sitte, Heimat“ als gemeinsamer Wertecanon tritt nicht nur immer mehr in den Hintergrund, sondern wird zunehmend als antiquiert und lebensfern betrachtet.
Die Elmpter Bruderschaft ist mit rund dreihundert männlichen Mitgliedern und einem guten Dutzend fester Schützenzüge immer noch eine beeindruckende Organisation. Sie hat die Zeichen der Zeit erkannt und die Diskussion um ihre Zukunft eröffnet. Ziel ist es, sich zum dritten Male in der Geschichte neu zu erfinden und auch im 21. Jahrhundert den angestammten zentralen Platz in der Dorfgemeinschaft zu behaupten.